29.03.2015

Honda Wave 110i oder das wahre Nutzkrad


Motorrad Nr. 39 war (und ist) meine Sommer Diesel, jetzt seit 5 Jahren und 70.000 km im Besitz.


Meine 2-Rad Vita begann 1969 mit einem Mofa, Garelli Europed, gebraucht. Soweit ich mich erinnere, war an der Karre eigentlich immer was zu Schrauben :)
Die Diesel war der Versuch, sich aus der motorisierten Leistungsgesellschaft radikal auszuklinken, Tacho 300 auf der Dosenbahn und gut 45° mit diversen Supermotos erschienen mir nicht mehr alltags kompatibel und begannen mich zu langweilen.
Der Bekanntenkreis reagierte von mitleidigem Lächeln über völliges Unverständnis bis zu hinter meinem Rücken abgeschlossenen Wetten: „in spätestens 3 Monaten hat er wieder was Vernünftiges, 11 Ps Diesel, da hat ja jeder Anlasser...“
Zugegeben, auch ich war nicht frei von Zweifeln :=(
Es gab (und gibt) Momente, da wäre mehr Dampf, Überholen mit einem kurzen Zucker aus dem Handgelenk, schon nett. Da ich das mit dem altersgemäßen Fahrstil und der entsprechenden Einsicht, Reife, aber irgendwie nicht hinbekomme....
Von England bis zur Südspitze Marokkos hielt die Sommer durch. Meistens ohne, manchmal mit Unmutsäusserungen in Form von etwas Öl / Fett auf der Aussenseite, aber immerhin, bisher kam ich immer aus eigener Kraft zum heimischen Carport :=)

Letztes Jahr benötigte das liebe Töchterlein dann relativ kurzfristig ein Auto, da mein Smart mit ≈3000 km jährlich nicht gerade häufig genutzt wurde, ist die Rollenverteilung ganz einfach, sie fährt, ich zahle :=)
Manchmal habe auch ich Termine, der Faktor Zeit spielt auch Nachts eine Rolle, nicht alles geht mit dem Fahrrad, auch wenn das durch Bosch Unterstützung die Reichweite schon erhöht. Also nutzte ich erstmals die Sommer auch im Winter :=)



Das werde ich aus mehreren Gründen nicht mehr tun. Die Salzlake hinterlässt trotz Wachs, Fett etc. doch gewisse Spuren die mich stören und den Pflegeaufwand massiv erhöhen, zumindest wenn man nicht so auf coolem used Look steht. Bei Glätte sind ≈190 kg eben doch viel, der Hatz 1B40 ist nun auch nicht für butterweichen Lauf bekannt, auch 11 Ps können am Hinterrad rupfen. Ausserdem sind Kurzstrecken unter 20 km Gift für den Motor, da bin ich bei 50° Öltemperatur, stört mich vermutlich mehr als den Diesel.
Einer der Hauptgründe ist aber, bis zu dem Zeitpunkt war jede Fahrt Urlaub, ohne Zeitdruck, quasi gelebte Meditation, ich musste nicht zum Zeitpunkt X am Ort Y sein. Das Gefühl möchte ich erhalten.

Lange Rede kurzer Sinn, ein 3. Fahrzeug musste her, nein, nichts mit 4 Rädern, für ein 2. Pkw bin ich noch nicht alt genug...

Die Qual der Wahl, oder weniger ist manchmal mehr...

Ein Diesel Motorrad prägt, 2-2,5 Liter Verbrauch, ewig haltende Reifen und Komponenten, Beschleunigungsmessung mit Kalender anstelle von Stoppuhr.. An die sehr niedrigen Betriebskosten kann man sich gewöhnen.
Die Ergänzung dazu sollte folgende Eigenschaften haben:
Leicht, handlich, praktisch, zuverlässig, Stauraum... ein echtes Nutzkrad eben.
So etwas fahren in Deutschland wenige, abseits des Mainstream, selbstbewusst genug auf Prestige und Leistung zu verzichten, nicht weil man muss, es sich nicht leisten könnte, sondern weil man will.


Mein erstes Motorrad mit 18 nach der Kleinkraftrad Zeit war eine 125 er Honda SL, eine nette, kleine und optisch durchaus gelungene Enduro. Danach hatte alles deutlich mehr Leistung, von 1, 2, 3 und Vierzylindern, 2 und 4 Takte war alles dabei.


Im Diesel2rad Forum gibt es einen überschaubaren Kreis von Cub Fahrern, auf Honda Innova oder Wave unterwegs. Der Typ von Kradist, der noch fährt, wenn andere auf Grund des Wetters nur noch vom Fahren reden.
Könnte man sich zumindest mal anschauen, Quasi Back to the Roots, dachte ich mir. Beratung und Händler in der Nachbarschaft sind mir wichtiger als einige, vermeintlich gesparte Euronen, ich fuhr zu  Zweirad Neudorf in Herdorf. Der Mechaniker dachte wohl, es kommt ein Kunde mit Lager Schaden, den Klang einer Sommer Diesel kannte er noch nicht, wenn sich eine Honda so anhört, wird es teuer :=)
Chef nicht da, ein optisch sehr junges und real sehr schlankes Mädchen, Sarah nahm mich in Empfang. Meine anfängliche Skepsis ob ihrer Fachkompetenz legte sich schnell, da wurde ich schon sehr oft von deutlich älteren, männlichen „Profis“ erheblich schlechter Beraten. 1+, vergebe ich selten, aber hier klar verdient!

Eine kurze Probefahrt genügte, Moped bestellt. Der Kaufpreis ziemlich genau 1/5 Sommer ;=) Irgendwelche Nachbauten wollte ich mir nicht antun, eine Honda sollte es schon sein.


Diese Woche war es dann soweit, Wave da, Givi Scheibe auch, nur der Topcase Träger fehlt noch, hilft nur Geduld, am Händler liegt es nicht. Der Mechaniker von Zweirad Neubold übergab und erklärte mir das Fahrzeug vorbildlich, so langsam wir das mit dem Loben inflationär, aber auch er hat die 1+ redlich verdient.

Ein Hatz 1B40 wiegt gut 50 kg



Die Wave gerade mal das Doppelte



Auf der Heimfahrt fühlte ich mich wie auf einem

  

Etwa 70.000 km mit dem rechts geschalteten Getriebe


hinterlassen ihre Spuren im Gehirn, der reflexartige Tritt auf die Wave Fußbremse, beim Versuch hochzuschalten, ja, Fußbremse funktioniert :=)
Die letzte Schaltwippe hatte ich mit 17, an einer 4,5 Ps Honda Dax. Das die Gänge dann links alle nach unten Geschaltet werden, nicht 1. unten, Rest nach oben, erhöht die geistige Flexibilität. Andere lösen Kreuzworträtsel, ich fahre Wave.

Wer heute ein aktuelles Motorrad kauft, bekommt zu 95% eine Lifestyle Produkt, Optik geht oft vor Funktion, kurze Fahrt auf nasser Strasse, Motorrad und Fahrer eingesaut.
Was andere uncool finden, gefällt mir. Ein Schutzblech, dass keine Verlängerung braucht!




Da wird der Motor eben nicht mit Dreck zugepflastert, Form folgt der Funktion



Das Konzept ist eigentlich eine Mischung aus Roller und Motorrad, Tank unter der Sitzbank, kleines Staufach.



Über das „Bordwerkzeug“ hüllen wir gnädig den Mantel des Schweigens, anderseits, dass ist ein Honda, wer braucht da...... :=)


Die ersten 100 km


Halbes Gewicht, auch 4 Gänge, ähnlicher Geschwindigkeitsbereich wie die Diesel. Die Ganganzeige ist, zumindest für Wave Rookies, durchaus hilfreich.


Wenn man das System der Schaltung kapiert hat, im Stand kann auch vom 4. Gang direkt in den Leerlauf geschaltet werden, klappt das ganz gut. Zwischengas geben bedarf noch etwas Training, auch ungewohnt ist die Schalter Anordnung, an der Sommer ist Hupe unten, Blinker darüber, hier umgekehrt. Der Motor kommt auch mit dem Kickstarter sofort, läuft sehr leise und ruhig. Der Hatz signalisiert akustisch und durch seine Vibrationen, dass er läuft. An der Ampel ist vom Honda Motor nichts zu spüren, dass Gas extrem leichtgängig.
Ungewohnt ist der Drehzahllevel, liegt wohl im doppelten bis dreifachen Bereich des Diesel. Über die Geschwindigkeit betrachtet sind die Schaltpunkte ähnlich, wirklich positiv überrascht hat mich der Durchzug des 109 ccm Motors, auch die Fahrleistungen liegen nahe bei der Diesel, bin aber noch in der Einfahrphase und dresche das Ding nicht bis ans Limit.
In den 80 igern flogen bei mir Reifen aus asiatischer Produktion spätestens beim ersten Kundendienst runter, die Cheng Shin geben aber bislang keinerlei Grund zur Klage. Das Fahrwerk mit den sehr filigranen Federbeinen funktioniert, die Sitzbank ist überraschend komfortabel. Nach etwas Gewöhnung lässt sich die Wave Fahrrad mässig um die Ecken schmeissen, gar nicht so langsam, schmale Reifen und geringes Gewicht haben was :=)
Verbrauch dürfte nach Spritmonitor irgendwo um die 2 Liter liegen, wird sich zeigen. Der Tank ist mit 3,7 Litern Inhalt etwas mickrig, Tankanzeige wird getestet, um ein Gefühl für reale Reichweite zu bekommen.

Wird fortgesetzt..

22.03.2015

Sommer Diesel Tuning


Prinzipiell ist es eigentlich Quatsch, sich Gedanken über Dieseltuning zu machen, wer Leistung will, ist im Regelfall (zumindest bei Einzylindern) mit Benzinern besser bedient.
Trotzdem möchte ich hier einige Erfahrungen und Punkte ansprechen, auch die Information: „was bringt nichts“ kann hilfreich sein  :lol: 

Ausklammern möchte ich in diesem Beitrag das Thema Legalität, wir sind alle erwachsen, jegliche Veränderung hat im Regelfall Einfluss auf Abgasverhalten, Geräusche usw. und ist somit herzerfrischend illegal  :twisted: 
Wem der Kolben durch den Tank kommt oder die Kühlrippen wegschmelzen braucht auch bei Jochen nicht unbedingt über Kulanz...  :lol:  :lol:  :lol: 

Die folgenden Auskünfte beruhen auf meiner Erfahrung, sind alle im Lauf der Zeit persönlich getestet worden, natürlich subjektiv und nicht zwingend allgemeingültig  :lol: 

Luftfilter,
egal ob K&N, DNA, Serie, wirklichen Effekt konnte ich nicht feststellen, beruht wohl mehr auf dem Placebo Effekt  :shock: 


Fördermenge:
Klaren Einfluss auf Verbrauch und auch Leistung hat die Einstellung der Fördermenge.


WICHTIG:
Mit Körner oder Meißel Position der Schraube markieren, damit man auf den originalen Stand zurück kann  :!:
In 1/16 Schritten arbeiten, reagiert sehr sensibel. Links mehr, rechts rum weniger Fördermenge.
Wenn im Rückspiegel die Strasse vor Abgasen dicht ist, und die Karre 3 Liter säuft, war es zu viel.
Immer nach jeder Verstellung einen Tank durch fahren, der Verbrauch kann massiv nach oben schnellen  8-)


Kanäle überarbeiten
Diesel arbeiten mit Luftüberschuss, auf Grund guter Beziehungen zu ABP gab ich einen Versuchskopf zum Kanäle überarbeiten dort ab.


Das Resultat war ernüchternd, etwas Verlust im unteren und mittleren Bereich, drehte zwar auf der BAB fast grenzenlos, aber keinerlei Leistungszuwachs.
Hatz hat seinen Job gemacht..
Bringt nichts  :cry: 


Förderbeginn:
Beim Diesel erfolgt das Entzünden des Kraftstoffes mit dem Einspritzen in den Brennraum, daher auch der Begriff „Selbstzünder!“
Vom Beginn der Verbrennung bis zur maximalen Druckentfaltung vergeht etwas Zeit (Zündverzug).
Daher spritzt man schon etwas vor dem oberen Totpunkt ein.

Jedem dürfte klar sein, dass der Kolben bei Leerlaufdrehzahl länger vom unteren bis zum oberen Totpunkt braucht, als bei Nenndrehzahl.
Deshalb arbeiten z.B. Benziner mit verstellbarem Zündzeitpunkt, der wandert bei höheren Drehzahlen in Richtung früh.
Das hat unser, für den stationären Betrieb konstruierter Motor, leider nicht.
Der 1B14 hat den Förderbeginn 14° vor OT, steht auch auf dem Typenschild, habe Beispielhaft eines abgelichtet.


Tendenziell kann man sagen, früherer Förderbeginn --> oben raus mehr Leistung, höhere Kopftemperatur, härterer Lauf, unterer Bereich und Leerlauf schlechter und umgekehrt. Kann gemessen und eingestellt werden, dazu muss das Primärgehäuse samt Kupplung etc. runter. 
Eine Gradscheibe wird auf die auf die Kurbelwelle geschraubt, ein Zeiger aus Draht angebracht.
Da man nicht an die OT Markierung kommt, wird ein Ventil so weit rein gedreht, dass es beim ganz zarten Drehen des Motors an den Kolben stößt, Gradzahl auf der Scheibe notieren, Motor in die andere Richtung drehen bis zum Kontakt, Gradzahl wieder notieren, halbieren, dort ist OT, klar, oder  :lol: 


Ventil wieder rausdrehen, damit der Motor über OT gedreht werden kann.

Über ein Röhrchen kann jetzt der Förderbeginn abgelesen werden, Details sind im Werkstatthandbuch von Hatz nachzulesen, würde hier den Rahmen sprengen.


Eingestellt wird das durch Unterlegen oder Entfernen von Scheiben (Nr. 10 im Bild) unter die Einspritzpumpe, Bilder ©Hatz

Kurz formuliert, mehr Scheiben, späterer Förderbeginn, weniger Scheiben, FB früher.
Wir haben das spasshalber getestet  :lol: 

Waren bei ungefähr 16° vor OT. Von Jochen ab Richtung BAB, Motor klingt sehr kernig  :shock: 
Auf der Dosenbahn dann den Hahn voll aufgedreht, 1B40 auf Steroiden, dreht locker hoch, mal eben mit gut 100 km/h die Trucks geschnupft, geil.
Mein linkes Auge erfasst das VDO Messgerät, 195° Kopftemperatur nach etwa 5000 m  :o
Das waren dann geschmeidige 30° mehr wie auf der Hinfahrt  :geek: 
Maximal waren bis dahin 185° bei +45° Aussentemperatur in Marokko, bei der Testfahrt hatte es knapp + 10°  :oops: 
Schnell den Hahn zugemacht, brauche den Motor noch, nächste Ausfahrt raus, zurück Richtung Jochen, Temperatur fällt sofort auf 140°.
Gut wieder Anschlag, Kiste renn beeindrucken, Zeiger innerhalb knapp 2000 m fast bei 200°, so mit 75 km/h waren es dann noch knapp 180°.
Bergab zum Jochen dann wieder alles im grünen Bereich  :roll: 
Im Ort dann festgestellt, gleichmässiges Fahren mit Teillast geht nicht, der Motor lief wie ein Sack voll Nüsse.
Auf dem Hof ging er direkt aus, Leerlauf nicht existent, klar, der Kolben bekommt in der Aufwärtsbewegung voll auf die Mütze, 
war wohl kurz vor dem rückwärts laufen  :mrgreen:
Funktioniert also nicht, alles wieder zurüchgebaut, war dann auch keine Zeit mehr für weitere Tests.
Der Rennmechaniker...

Resümee:
Die Hatzianer sind nicht doof, der 1B40 ist wohl die optimale Kombination zwischen Laufkultur, Leistung, Verbrauch, Lebensdauer  :handgestures-thumbup: 
Feintuning ist möglich, aber mit Risiken behaftet, ohne das Messinstrument hätte ich den Motor wohl gnadenlos verheizt  :oops:  :cry: 
Wer nicht genau, wirklich genau weis, an welcher Schraube er drehen muss, lasse es lieber.
Kann zu spontaner Kontoentleerung führen  :lol: 
Das auch der umgekehrte Weg (Trimmen Richtung Sparsamkeit) problembehaftet sein kann, wurde hier auch schon festgestellt.

Klar muss auch sein, so Versuche sind sehr zeit- und arbeitsintensiv, Resultat vorher ungewiss.
Prinzipiell ist das alles Quatsch, war der Spass am Testen, wie Anfangs geschrieben, die Erkenntnis: GEHT NICHT ist auch was wert  :lol: